—muriel—
Hört ihr auch das Meer rauschen? Ach, herrlich, einfach wunderbar. Es ist ein schöner, warmer Frühsommertag, die Möwen kreisen über unseren Köpfen, es geht ein angenehmer Wind, das Meer ist tiefblau und lässt uns inne halten. Wir lachen, die Kinder spielen miteinander, wir werfen uns liebevolle Blicke zu und sind einfach nur glücklich.
Keine Ahnung, in welchem Märchenbuch das steht. Aber bei uns sieht die Realität anders aus!
Hier gibt es zum Beispiel Mücken. Solche, die stechen. Also Stechmücken. Damit hat niemand gerechnet. Auch nicht dann, als wir die zwei Flaschen AntiBrumm, die zwei Tuben Fenistil und den natürlichen Roll-on, den man auf die offene Wunde aufträgt, eingepackt haben.
Ich bezeichne mich als Tierschützerin - und trotzdem mag ich die Viecher nicht. Ich finde es absolut unanständig, unschuldige Menschen einfach anzufliegen, denen das Blut abzusaugen und dann grinsend wieder davon zu fliegen. Und das Schlimmste: Die Mücken zwingen mich dazu, an meinem Sohn Gewalt anzuwenden. Gestern, da haben wir vormittags das Wohnmobil verlassen. Ich glaube, wir wollten eigentlich draussen frühstücken. Da ging es nicht lange und die erste Mücke war auf Junior’s Bein zu sehen. Ich sag nur: „Achtung!“ Und tätsch. Mause. Also Mücke. „Sorry, lieber Luc, da war eine Mücke.“ Es dauerte keine zehn Sekunden und: „Achtung!“ Tätsch. Schon wieder. Ich erklärte meinem verwirrten Jungen, dass alles nur zu seinem Besten sei und ich versuchen würde, Mücken zu killen. „Da! Schon wieder!“ Diesmal an seiner Stirn. Nein, sorry, aber das geht jetzt zu weit. Ich zapple das Tier irgendwie weg und wir ziehen uns alle wieder ins Schneckenhaus zurück. Sonnenbrillen & Mützen wieder aus, Sandalen wieder an ihren Platz, Frühstück wieder rein. Und da wären wir auch schon beim Thema. Was machen wir eigentlich den ganzen Tag so?
- Wir erwachen. In 99% der Fälle sogar mit gut gelaunten Kindern.
- Das grosse „wie kommen wir aneinander vorbei ohne die Mitbewohner zu berühren, zu treten oder gar falsch anzusehen?“ beginnt.
- Die Grossen müssen aufs Klo, der Kleine will uns erklären, dass ER nicht muss. Baby ist bereits in frischen Windeln und angezogen.
- Die Stimmung droht zu kippen. Wir sind auch bereits seit 60 Sekunden auf den Beinen. Die Eltern sind immer noch der Überzeugung, dass JEDER am Morgen aufs Klo muss. Junior versucht, uns das Gegenteil zu beweisen.
- Frühstück. Junior macht uns klar, dass die Schoko-Brötchen und Gipfeli, die wir uns heute gegönnt haben, nur für ihn sind. NUR für ihn. Die Stimmung ist kippender.
- Schneckenbaby strahlt wie immer. Sie geniesst ihren Brei und ist zufrieden.
- Frühstück ist beendet.
- Vater zieht sich in die sanitären Anlagen des Campings zurück. Das ist SEINE Zeit. Quality-Time quasi. Unterdessen wird Junior mit Aufgaben beschäftigt, Töchterchen gestillt und wieder ins Bett gebracht.
- Es wird festgestellt, dass die Aufgaben nicht ausgeführt wurden. Stimmung noch kippender. Tief durchatmen. Mami assistiert also beim Anziehen, Zähne putzen etc.
- Vater kehrt zurück. Sehr gut. Wenigstens Einer hat wieder gute Laune. Mutter wandert los. Unterwegs noch Smalltalk mit Leuten, die irgendwie nicht checken, dass man ungeduscht nicht mit Anderen reden möchte.
- Zurück im snailhouse. Heute möchten wir an den Strand. Mit Picknick. Denn vermutlich wird es Mittag, bis wir da sind. Vorbereitungen beginnen.
- Töchterchen erwacht. Junior möchte jetzt mit seinen Fahrzeugen spielen. Auf dem Teppich, der sich unmittelbar vor dem Bett seiner Schwester befindet. Ach ne, was für ein Zufall. Versuch der Eltern, dem Bruder zu erklären, dass Mami dort die Kleine anziehen muss. Weil es nur dort geht. Weil wir in einem Wohnmobil leben.
- Papi bereitet weiter Picknick vor.
- Jemand stellt fest, dass wir dringend waschen sollten. Papi unterbricht seine Arbeit und will waschen gehen. Dann können wir noch aufhängen, bevor wir losgehen. Tiptop.
- Junior macht klar, dass er dabei sein will, wenn Papi die Waschmaschine startet. Geht aber natürlich nur unter seinen Bedingungen (für Kinderlose: Da muss man z.B. GENAU dort durchmarschieren, wo das Kind sagt. Oder man trägt den Korb GENAU so, wie das Kind sagt. Oder NUR das Kind wirft die Wäsche in die Maschine. Sollten diese Weisungen missachtet werden, beginnt das Ganze nochmals von vorne).
- Töchterchen wäre inzwischen bereit. Picknick immer noch nicht. Es wird weiter daran gearbeitet.
- Wäsche fertig. Wäsche wird zum Trocknen aufgehängt. Einfach von der Person, die nicht das Baby auf dem Arm hält.
- Jetzt aber los. Nein! Mittlerweile muss wieder die Windel gewechselt werden.
- Oh. Sonnencrème! Kinder müssen noch weiss angestrichen werden.
- Es ist jetzt Mittag. Bei Mami kommen Hungergefühle auf. DAS IST NICHT GUT!
- Junior muss mal wieder nicht Pipi.
…
…
…
An diesem Tag war es ca. 15.30 Uhr, als wir am Strand (ja, er befindet sich neben dem Campingplatz) unser Picknick zu uns genommen haben. Und so ähnlich ging unser Tag resp. Abend dann weiter. Natürlich konnten wir auch ein bisschen die Stimmung am Meer geniessen: „Nein! Nicht so weit ins Wasser!“ - „Bitte den Sand nicht zu uns werfen!“ - „Nein, den Sand nicht in den Mund!“ - „Nein, mein Trinkbecher ist kein Baustellenfahrzeug!“
Ja, auch auf Reisen hat man so seine Herausforderungen zu meistern. Bestimmt wird es davon in Zukunft noch mehr zu lesen geben. Eine Voraussetzung dafür wäre jedoch, dass man uns mal daran arbeiten lassen würde. Also eigentlich lässt man uns das auch, einfach immer erst dann, wenn die Kleinen im Bett sind. Dumm nur, dass wir dann meistens daneben liegen.