—muriel—
Es ist die passende Gelegenheit, uns bei unserem Freund und Helfer Florian zu bedanken, der uns ein tolles Logo für unsere Reise gestaltet hat - merci
beaucoup! Er hat unsere Wünsche, die wir nicht immer ganz klar auszudrücken wissen, wirklich wunderbar umgesetzt. So zieht doch auf diesem schönen Bild ein Schneckenhaus auf vier Rädern mit vier
Bewohnern durch Europa. Logisch! Da fällt mir ein: Mein Neffe sagte mal, als er noch kleiner war: „En Schnägg het sis Huus emmer debii!“ Und genau so ist es. Und: Eine Schnecke ist bekanntlich
ziemlich gemütlich unterwegs. So wie wir also. Ich vermute, dazu wird es in Zukunft noch einige Berichterstattungen geben, spontan fällt mir dazu eine unscheinbare Notiz an der Informationstafel
des Campings ein, die da heisst:
„Abreise bis spätestens 12.00 Uhr“
12.00 Uhr!!! Versteht ihr?! Habt ihr eine Ahnung, was das für eine Schnecke bedeutet?! - Nein, nein. Da will ich jetzt gar nicht näher darauf eingehen.
Bleiben wir beim Thema. Unser Schneckenhaus ist die treffende Bezeichnung für unser neues Heim. In letzter Zeit mussten die Schneckeneltern allerdings vermehrt feststellen, dass - aufgrund der unvermeidbaren Alltagssituationen, die hier so entstehen - eine Namensänderung in Erwägung gezogen werden muss. Wir könnten jetzt daraus ein Gewinnspiel machen. Aber ich bin mir ganz sicher, dass Personen, die uns näher kennen, spontan auf die richtige Antwort kommen:
Keiner überrascht, oder?
Ich meine, mir war von Anfang an klar, dass wir
- Nicht ganz normal sind (ich habe auch noch nie Jemandem gegenüber das Gegenteil behauptet)
- Während längerer Zeit auf engstem Raum miteinander leben werden
- Einige Herausforderungen zu bewältigen haben werden
- Hier nicht voneinander flüchten können
Um euch einen Einblick in unseren neuen Alltag zu geben, schildere ich euch gerne 1-2 Situationen. Ich unterscheide zwischen „die Namensänderung macht Sinn aufgrund des Verhaltens der Kinder“ und „die Namensänderung ist unumgänglich aufgrund des bekannten Zustands der Eltern“.
Fangen wir an mit den Kindern. Und ja, mir ist klar, dass diese nicht einfach böse auf die Welt kommen in der Absicht, die Eltern - sagen wir - „herauszufordern“. Mir ist auch bewusst, dass die Eltern dank den Kindern viel lernen und an sich selber arbeiten können. Und ich habe auch schon von sogenannten „Phasen“ gehört, die gewisse Kinder durchleben sollen.
Aber was zum Teufel macht unser Sohn in Unterhose und einem T-Shirt, das erst über den Kopf gezogen ist, bei strömendem Regen lauthals schreiend,
tobend und bald explodierend auf einem unscheinbaren Campingplatz in der Provence?!
Nein also bitte, in solchen Momenten frage ich mich wirklich, wieso wir als Eltern nicht selber
entscheiden können, welche Eigenschaften wir unseren Kindern vererben. Eigentlich sollte man doch so eine Wunschliste ausfüllen können. Da würde ich z.B. erwähnen, dass er sich in solchen
Situationen immer Gummistiefel anziehen soll. So müsste ich nämlich nicht dafür besorgt sein, nach Rückkehr wieder das GANZE Haus zu reinigen!
Nein, vergesslich ist er nicht, unser Junior. Hätte er doch seine Phasen zuhause lassen können. Aber: Schlau wie er ist, ist ihm bewusst geworden, dass Phasen kein Gewicht haben und somit
problemlos mitgeführt werden können. So ganz unscheinbar. Ohne, dass jemand bemerkt, dass wir hier extrem kostbares Gut umher chauffieren. Na toll.
Wenn wir schon beim Thema „chauffieren“ sind, wende ich mich gerne dem Thema „Namensänderung ist unumgänglich aufgrund des bekannten Zustands der Eltern“ zu.
Und da frage ich mich: Kommt „chauffieren“, was bei uns eigentlich für „transportieren“ o.ä. steht, eigentlich vom französischen Ausdruck „chauffer“? Was so viel heisst wie „heizen“? Also das könnte irgendwie passen. Kann es uns während der Fahrt doch ab und zu ziemlich warm werden. So haben wir bei unserer letzten Etappe z.B. wieder einige Fachbegriffe aus dem Französischen zum Thema Strassenverkehr gelernt.
déviation = Umleitung
barré = gesperrt
Aha. Toll. Da steht man also mit seinem siebenmeterdreiundvierzig langen, zweimeterdreissig breiten und dreimeterfünfzehn hohen Gefährt irgendwo in der Pampa, hinter einem die glücklicherweise ohne Schaden passierten Schluchten mit einer Strassenbreite von gefühlten zweimeterdreiunddreissig und Felsen, die von links in die Strasse hineinragen und zu sagen scheinen: „Gäll, da staunst du, wie weit ich mich strecken kann? Nein, du brauchst keine Angst haben, heute kommt dir bestimmt kein Fahrzeug entgegen!“ Okay, zwischen den Schluchten und dieser Strassensperrung befand sich noch ein charmantes Dörfchen mit süssen kleinen Gassen, romantischen Hausbauten auf engstem Raum und Senioren, die sich darüber freuten, dass sich kurz vor Einbruch der Dunkelheit ein Schweizer in ihre Region verirrt hatte. Wobei wir ja nicht von verirren reden können, da wir ja keine geplante Route hatten. Also das heisst - doch, eigentlich schon, denn wir haben ja eine Ortschaft im Navi eingegeben, nachdem wir feststellen mussten, dass die Dörfer davor entweder über keinen Campingplatz verfügten oder diese noch geschlossen waren. Also haben wir uns quasi verirrt aufgrund der Tatsache, dass ich nicht vernünftig recherchiert habe. Was ich ja aufgegeben habe aufgrund der Erfahrung, dass wir eh nie da ankommen wo ich eigentlich geplant habe…
… Wir fahren also auf diverse Schilder zu, die uns in immer kürzeren Abständen das Wort „barré 400m“, „barré 300m“, „barré 200m“… aufzeigen… „Ähm,
Schatz, ich habe das Gefühl, dass diese Schilder uns irgendetwas sagen möchten“, teile ich meinem Gatten mit. „Wirklich? … Meinst du? … Was denn?“ - „Hmmm…“ (immer langsamer fahrender)
„Möglicherweise hat dieses Wort einen Zusammenhang mit der Barriere, die wir als eine Art Absperrung kennen.“ - „Muss nicht zwingend sein“, meint er…
Ok, Mami fährt also weiter, schliesslich kommen ja immer noch vereinzelte Fahrzeuge entgegen. Ach! Habe ich schon erwähnt, dass unsere Tankanzeige mittlerweile angefangen hat zu leuchten? Und
dass bereits nach 19.00 Uhr war und die meisten Campingplätze um diese Zeit ihre B-A-R-R-I-E-R-E-N schliessen? Es war wie verhext, immerhin konnte ich ja schon seit einiger Zeit beobachten, dass
der Zeiger der Tankanzeige immer wieder ein kliiitzekleines bisschen weiter gesunken ist. Aber logisch - braucht man Mal eine Tankstelle, ist keine zu finden! Zumindest keine funktionstüchtige.
„Schatz, ich glaube, der da vorne will dir etwas sagen. Der gibt dir Lichthupe.“
Weiterhin mein Tempo reduzierend öffne ich das Fenster, lächle freundlich und halte auf Höhe des kleinen Autos des älteren Herrn. Hilfsbereit erklärt er mir, dass wir hier nicht weiterkommen
werden. Das Navi hätte in dieser Richtung eigentlich nur noch 10 Minuten bis zum Zielort angezeigt. Monsieur erklärte uns, wo wir stattdessen durchfahren können. Wenden, durch das kleine Dörfchen
(ähäm), rechts abbiegen (könne angeblich ein bisschen eng werden) und dann einfach weiter bis zur nächsten Nationalstrasse. Das muss man ihnen lassen, den Franzosen, sie sind wirklich sehr
hilfsbereit! Immer wieder auf die Tankanzeige schauend, wende ich, fahre so ökologisch wie noch nie zuvor wieder retour und folge den Anweisungen des Mannes. Nachdem uns an der engsten Stelle
eine Lernfahrerin gegenüber steht und wir mit unserem Twingo die Gasse wieder rückwärts bis zu einer Ausweichmöglichkeit gefahren sind, kriechen wir in duckender Haltung weiter (soll ja angeblich
helfen, wenn alle den Kopf einziehen. So kommt man wirklich überall durch). Danach weit und breit nur Landwirtschaft, Fluss und Bäume. Wow. Toll. Keine Ahnung wo wir sind. Was für ein
vertrauenserweckendes Geräusch ertönt da. Bling! Der Autohersteller hat extra für Blinde noch ein akustisches Signal eingebaut, welches ertönt, wenn der Tank bedrohlich leer wird. „Schau, ein
Bauernhof, hier gibt’s sicher Diesel!“ Oder: „Wir könnten einfach auf dem nächsten Campingplatz beim Nachbarn mit dem Schlauch den Tank leeren. Und am nächsten Morgen feststellen, dass dieser
jedoch mit Bleifrei gefüllt war!“ Es ist schon mal gut, dass mein Mann den Humor noch nicht verloren hat. Ich beginne zu pfeifen. ICH beginne zu pfeifen. Das ist nicht gut, wie mein Begleiter
weise feststellt. Aber siehe da! Eine andere Strasse. Mit Fahrzeugen! Yeah, Zivilisation! Und bald schon folgt ein Schild mit einer Tanksäule. Es kommt alles gut. Nachdem wir an der ersten Säule
vergebens versucht haben, Diesel zu zapfen, gelingt es uns dann an der zweiten. Gut. Und jetzt also zum nächsten Campingplatz. Sollte der schon geschlossen haben, könnten wir dort bestimmt vor
dem Tor übernachten. Und plötzlich, da sperrt unser Junior auf dem Beifahrersitz die Augen so weit auf, wie ich das noch nie bei ihm gesehen habe. „Da!“ Er zeigt mit seinem Finger über die
Strasse und ruft: „göhmer do go ässe?“ Einmal dürft ihr raten, welches Restaurant er auf grosse Distanz erkannt hat :-). Natürlich liessen wir uns diese Mahlzeit nicht entgehen, mussten wir doch
alle wieder ein bisschen „abkühlen“ und uns daran erfreuen, dass wir wieder mit vollem Tank sorglos nach einem Stellplatz suchen können.
Stockdunkel ist es mittlerweile, als wir auf einem Campingplatz in der nächsten Stadt eintreffen. Und siehe da, die Barrieren sind noch offen. Wir dürfen uns einen Platz aussuchen und uns am
nächsten Tag anmelden. Das nenne ich touristenfreundlich. Oder familienfreundlich. Oder schneckenfreundlich. Oder einfach gefasst, auf alle fahrenden Irrenhäuser. Merci, très gentil!